26.5.2023 Landkreis Lindau. Dass es eine Bachmuschel gibt und diese auch noch ein ganz besonderes Lebewesen ist, war vielen Besuchern des Bachmuscheltages in Wangen im Vorfeld nicht bewusst. Umso zahlreicher war das Interesse am Infotag im Vereinsheim des Fischereivereins mit anschließender Führung an den Schwarzenbach.

200 Besucher

Etwa 200 Besucher nahmen Ende April am Bachmuscheltag teil und hatten dort die Gelegenheit auf vielfältige Weise umfassendes Wissen rund um das Tier zu erlangen und zu vertiefen. Die Unteren Naturschutzbehörden der Landratsämter Lindau und Ravensburg organisierten die Veranstaltung gemeinsam mit den Bachmuschelbetreuern der Landkreise und dem Fischereiverein Wangen e.V., um auf die naturschutzrechtlich streng geschützte Muschel aufmerksam zu machen.

„Ich hätte nie gedacht, dass man über ein so kleines, unscheinbares Tier so viel Faszinierendes erfahren kann“, so ein Besucher. Bereits die Begrüßungsworte des ehrenamtlichen Bachmuschelbetreuers Thomas Bernhard ließen Neugierde aufkommen. Sofort wurde klar, welch Schatz der Schwarzenbach mit dem deutschlandweit größten Bachmuschelvorkommen birgt und wie viel Engagement hinter dem Erhalt dieser Population steckt.

Insbesondere betonte Thomas Bernhard die beispielhafte Kooperation der Landratsämter Lindau (Bodensee) und Ravensburg sowie den Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiter des Fischereivereins und der Bewirtschafter der angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen.

Der ehrenamtliche Bachmuschelbetreuer Thomas Bernhard betont in seiner Begrüßungsrede die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Projektbeteiligten zum Schutz der Bachmuschel (Foto: Landkreis Lindau / Cornelia Mesmer).

Auch der Wangener Oberbürgermeister Michael Lang und Bürgermeister Oliver-Kersten Raab aus Hergatz betonten die Besonderheit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zum Schutz des Bachmuschelbestandes. Anschließend folgte ein Vortrag der Biologin Dr. Susanne Hochwald, die seit über 35 Jahren auf dem Gebiet der Bachmuschel forscht. Die Expertin stand für jegliche Fragen der Zuhörer, darunter zur Ökologie, Lebensweise und Reproduktion der Bachmuschel zur Verfügung.

An Stellwänden wurden zusätzlich weitere Informationen und Bilder zur Muschel und deren Vorkommen am Schwarzenbach für die Besucher vorbereitet. Hier konnten die Teilnehmer zum Beispiel Fotos vom, durch die seltenen Regenfälle des letzten Sommers, trockengefallenen Bach ansehen und sich Infos über die Maßnahmen von Projektbeteiligten einholen, ohne die tausende Bachmuscheln verendet wären.

Ein speziell auf Kinder ausgelegtes Lehrangebot wurde ebenfalls auf die Beine gestellt. Im Sitzkreis lernten die Kinder auf spielerische Art und Weise Lebensraum und Merkmale der Muschel kennen. Dabei hatten sie Gelegenheit Cornelia Mesmer von der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes Lindau ihre Fragen zu stellen.

Spätestens bei der Exkursion am Schwarzenbach konnten die Teilnehmer einen Blick auf die Bachmuschel werfen. Biologe Ortwin Ansteeg fischte dazu mehrere Bachmuscheln aus dem Gewässer und ließ sie durch die Hände der Interessierten gehen.

Mit bloßem Auge ist die Bachmuschel vom Gewässerrand aus kaum zu erkennen. Eine Tarnfarbe schützt sie gegen Fressfeinde. Die Exkursion am Bach unter Leitung der Experten sowie die Vorträge im Rahmen des Bachmuscheltags fanden bei den Besuchern großen Anklang.

Faszination Bachmuschel

Die Bachmuschel besiedelt saubere Fließgewässer mit mäßig strömendem Wasser und sandig-kiesigem Substrat. Sie gilt als Indikator für eine gute Wasserqualität und einen naturnahen Zustand des Gewässers. Sie selbst trägt zur Sauberkeit des Gewässers bei, indem sie etwa einen Liter Wasser pro Stunde filtriert. Zur Fortpflanzung ist die streng geschützte Bachmuschel auf eine bestimmte Fischart – im Schwarzenbach der Döbel – angewiesen.

Ca. 28.000 Exemplare der vom Aussterben bedrohten Muschel finden sich in einem rund 1,5 km langen Abschnitt des Schwarzenbaches. Die befruchteten Eier entwickeln sich in den äußeren Kiemen der weiblichen Muschel zu etwa 0,2 mm großen Larven, den sogenannten Glochidien. Anschließend werden diese vom Weibchen zumeist als Wasserstrahl in hohem Bogen vom seitlichen Gewässerufer ausgestoßen.

Die Fische halten den auf der Wasseroberfläche auftreffenden Strahl für ein ins Wasser gefallenes Insekt, wodurch sie angelockt werden. Die Glochidien heften sich sodann an die Kiemen der Döbelfische, bevor sie sich dort innerhalb von 2-6 Wochen zu fertigen Jungmuscheln entwickeln. Anschließend fallen die Glochidien von den Kiemen ab und vergraben sich im Gewässergrund, wo sie weiter heranwachsen.

Die jungen Muscheln tauchen nach ca. 1-3 Jahren an der Oberfläche des Bachbetts auf. Die Bachmuschel wird bis zu 30 Jahre alt und ist in Deutschland vor dem Aussterben bedroht. Einst war die Bachmuschel die häufigste Großmuschelart in heimischen Fließgewässern, sodass sie sogar an Schweine verfüttert wurde. Aufgrund ihrer speziellen Lebensraumansprüche, ist der Bestand der Art drastisch zurückgegangen. Gefährdet wird sie durch Sediment- und Nährstoffeinträge, unsachgemäße Gewässerunterhaltung und Mangel an Wirtsfischen.

Grenzgewässer Schwarzenbach

Der Schwarzenbach entspringt bei Engelitz und mündet nahe Neuravensburg in die Obere Argen. Dabei fließt er auf zehn Kilometer Länge teilweise als Grenzbach zwischen der Gemeinde Hergatz (Landkreis Lindau) und der Stadt Wangen im Allgäu (Landkreis Ravensburg).

Der Schwarzenbach beherbergt mit ca. 28.000 Exemplaren den größten Bachmuschelbestand Deutschlands.Vergangenes Jahr führte der regenarme Sommer zur vollständigen Austrocknung des Schwarzenbaches. Nur durch die Umsiedelung und Wassereinspeisung in den Bach gelang es vielen ehrenamtlichen Helfern die Bachmuscheln zu retten.

Bei der in diesem Jahr geplanten Zählung wird sich herausstellen, inwieweit der Bestand Schaden genommen hat. Nur die landesgrenzüberschreitende Zusammenarbeit ermöglicht den Schutz der Bachmuschel am Schwarzenbach.

Projektbeteiligte sind die Stadt Wangen im Allgäu, die Gemeinde Hergatz, die Landratsämter Lindau (Bodensee) und Ravensburg, der Landschaftspflegeverband Lindau-Westallgäu, die Regierung von Schwaben, der Fischereiverein Wangen, Bachmuschelbetreuer, Grundstückseigentümer, Landwirte, Privatpersonen und das Wasserwirtschaftsamt Kempten.

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